Aus THOMAS KAPIELSKI
AQUA BOTULUS
S.62-S.68 MAAS-Verlag, 1992 ISBN 3-929010-20-8

Wieder erschienen bei Zweitausendeins
Mehr zu Kapielski: http://www.zweitausendeins.de/kapielski/

 
 

So geht's los (Hören Sie!)

Ich mußte beruflich mit Butzmann nach Hamburg reisen. ...... ....

So gehts's weiter (Lesen Sie!)

...........da erscheinen plötzlich zwei frisch deodorierte, luftige, halbnackte Weiber und bitten charmant um die uns einkeilenden Sitze am Gang. Sie hatten wohl nicht genau hingeguckt. Oder es gab einfach keine anderen Plätze mehr. Unter normalen Umständen wäre das ja auch ganz prima gewesen, aber sie kommen immer, wenns einem nicht paßt. So ist das. Und jetzt saßen wir da wie zwei klaustrophobische Karotten und schieden Wurstwasser aus. Plötzlich beugt sich Butzmann mit zugekniffenen Augen und schwer wässernd rüber zu seiner frischen Tischdame und ich denke ich höre nicht richtig: "Wenn ihr nicht sofort abhaut, schneide ich euch die Titten ab, und zwar mitm Buschmesser." - "Was?" Sagt die Dame. Sie hatte nicht richtig zugehört. Und ich auch nicht, ich dachte, ich höre wohl nicht richtig. Und er sagt: "Buschmesser." - "Wie bitte?" - "Is egal." Ich war ganz irritiert, und ich glaube ich hatte es auch nicht richtig gehört. Ich kenne ja Butzmann mit seinem Buschmesser, wie er knülle an Discothekenwänden lehnt und immerzu "Buschmesser" blinzelt. Das schon, aber sowas macht er nun doch nicht, sowas am hellichten Tag zu wildfremden Frauen sagen, nee! Wir waren nicht mehr bei Trost, das wars. Wir haben unsere panierten toten Schweineteile aufgefressen und mit letzter Kraft bezahlt. Beim Rausquetschen ist mir ein toter panierter Schweißtropfen bei der einen Dame aufs freie Rückenteil getropft, patsch!, wie ein Taubenschiß. "Huch!" Hat sie gemacht. "Tut mir leid." Hat mir auch wirklich leid getan, es war mir so peinlich. Mein Leid, euer Leid, es war für alle zuviel aufeinmal.
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. Mussolini und D'Annunzio am Lago die Garda, 1934 Butzmann und Kapielski auf Kampnagel in Hamburg, 1984 .

Wir ham uns in höchster Eile in den nächsten Wagen geschleppt, ein Fenster runtergerissen und zehn Minuten die Rüben rausgehalten, da konnten soviel Signalmasten kommen, wie wollten. Hamburg wurde erreicht und das Dienstliche erledigt. Es handelte sich um einen öden, aber unsererseits sehr kraftvollen Auftritt in irgendeiner Krampfader-Fabrik. Außerdem wurde am Nachmittag ein von uns mitgeführtes Tonband hinter igendeinem 'Hamburger Hafen' von einem Kerl mit Pferdeschwanz in eine Art Vorlage für eine Schallplatte verwandelt.

(Auschnitt aus LP WAR PUR WAR: Die Rolle der Frau)

Der Typ mit dem Pferdeschwanz hatte ein derart spitzes Gesicht, daß er damit eine Dose Büchsenmilch hätte aufpieken können. Er sah aus wie ein Dosenöffner. Oder er sah aus wie ein Rennvogel, falls es sowas gibt, Rennvögel. Er war unzufrieden mit uns. Wir hatten irgendwas falsch gemacht. Ein Zeiger, der unbedingt am Rand hätte stehen müssen, stand meist in der Mitte. Wir haben zwei Stunden lang die Luft angehalten, um zu erreichen, daß er mehr am Rand steht. ...... Der Rennvogel hat immerzu gemeckert: "Die Korrelation, die Korrelation!" ...... Butzmann hat mit zugekniffenen Augen zum Rennvogel mit Pferdeschwanz rübergeblinzelt: "Wenn du nicht Ruhe gibst, hack ich dir den Schwanz ab, und zwar mitm Buschmesser, du Rennvogel, falls sowas gibt: Rennvögel." - "Was?" - "Buschmesser und Rennvögel." Ich dachte wieder, ich hör nicht richtig. Und ich habe auch wieder nicht richtig gehört. Und wie sollte Butzmann auch wissen, daß ich den Rennvogel innerlich Rennvogel nannte. Beziehungsweise: "Dosenpieker". Der Rennvogel auch nicht, er sagte à conto dessen denn auch: "Wie bitte?" - Butzmann antwortete: "Korrelation." - "Achso." - "Buschmesser." Ich darauf hin: "Dosenpieker!" Na, und so haben wir weiter lustig unsere Schwitzflossen gedrückt und uns für unsere künstlerische Karriere den Arsch aufgerissen und der Rennvogel fand uns merkwürdig. Die Platte wurde ein Mißerfolg.

Der Pißvogel muß es verbockt haben. Oder die Menschen verstehen uns nicht. Wir finden die Platte natürlich nach wie vor hervorragend. Mit der Zeit wird sie sogar immer besser. Ich weiß das, ich hör sie ja täglich! Na ja, das versteht keiner und der Rennvogel muß was falsch gemacht haben. Und es ist auch weiter nicht schlimm, irgendwann ist der Schirm endgültig zu. Wir hätten bloß gerne mehr Taschengeld und sind auch zu feige, uns ein Ohr abzuschneiden. "Butzmann", sag ich, "wir sollten uns mal ein Ohr abschneiden! Eins würde auch erstmal genügen, und ich würde dir auch selbstverständlich den Vortritt lassen, würd mir nix ausmachen, mein Freund!" 

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